Fachtagung



XlII. Zukunftsforum Islam

Freitag, 15. November 2024, 17 Uhr
bis Sonntag, 17. November 2024, 13:00 Uhr

Dorint Main-Taunus-Zentrum
Main-Taunus-Zentrum 1
65843 Sulzbach (Taunus)

Muslime in den Konfliktfeldern gesellschaftlicher Polarisierung
- Befunde und Strategien der Bewältigung


Muslims in the conflict areas of social polarisation

- Findings and strate gies for coping


Thema und Zielsetzung:

Seit Jahren sind europaweit und wiederholt gesellschaftliche Polarisierungen zu verzeichnen, die westliche Demokratien ernsthaft in Bedrängnis zu bringen scheinen. Dies lässt sich nicht nur am Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremer Gruppen bemessen. Europaweit und auch in Deutschland verschärfen sich gesellschaftliche Debatten um politische Spaltungen, kulturelle Identitätskonflikte und wirtschaftliche Ungleichheiten in Folge von Finanzkrisen und der Covid-Pandemie. Im Zentrum dieser Debatten stehen die aktuellen Themen unserer Zeit: Klimawandel, Zuwanderung, europäische Integration, aber auch internationale Ereignisse wie die Kriege in der Ukraine u nd im Nahen Osten sowie grundsätzliche Themen wie Religion, Säkularismus und Multikulturalismus.

Die Verbreitung von Fake News und die Rolle sozialer Medien tragen erheblich zu dieser Polarisierung bei, indem sie Echokammern schaffen, in denen Menschen nur noch Informationen konsumieren, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen. Man könnte zurecht meinen, dass öffentliche Dispute und das Ringen um gesellschaftspolitische Konzepte im Sinne einer gesunden Streitkultur demokratiefördernd sein könnten. Doch polarisierende Tendenzen und gesellschaftliche Konflikte in Deutschland scheinen über ein legitimes Maß widerstreitender Interessen hinauszugehen. Diese Diskurse verlaufen zunehmend emotional und gehen oft mit Empörung, Hass oder Diffamierung Andersdenkender einher. Das führt zu einer Verzerrung der Wahrnehmung gesellschaftlicher Realitäten und verschärft oder erzeugt Spannungen, die die Zivilgesellschaft ernsthaft bedrohen. Ferner werden demokratische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse erschwert. Die unmittelbaren Folgen sind Vertrauenserosionen und eine belastete Konsensfindung. All diese Faktoren bilden eine große Herausforderung für die politische Bildung, die stets Bildungsansätze für Kritisches Denken finden und das Vertrauen in demokratische Prozesse stärken muss.

Inmitten dieser Tendenzen zu gesellschaftlicher Polarisierung stehen Muslim*innen in Deutschland. Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen nutzen antimuslimische Rhetorik, um politische Unterstützung zu mobilisieren. Diese Gruppen stellen Muslim*innen häufig als Bedrohung für eine nationale Identität und Sicherheit dar, was nicht nur Ressentiments gegen sie schürt, sondern auch zu einem signifikanten Anstieg von Gewalt- und Straftaten gegen sie in den letzten Jahren geführt hat.

Die Folge ist eine soziale und wirtschaftliche Polarisierung, die sich in Tendenzen zur Segregation und sozialen Ausgrenzung von Muslim*innen ausdrückt. Menschen muslimischen Glaubens sind oft in städtischen Gebieten konzentriert, die sozial und wirtschaftlich benachteiligt sind. Diese Tendenzen zur Segregation führen zu einer geringeren Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft und verstärken bestehende Vorurteile. Dies begünstigt die Verbreitung extremistischer Ansichten und trägt zur Radikalisierung bei, sowohl innerhalb muslimischer Gemeinschaften, als auch bei anderen Bevölkerungsgruppen. Studien haben gezeigt, dass Muslime häufig aufgrund ihres Namens, ihrer Kleidung oder ihrer Herkunft benachteiligt werden. Diese Diskriminierung hindert sie daran, ihr wirtschaftliches Potenzial voll auszuschöpfen und führt zu einer weiteren Entfremdung der Mehrheitsgesellschaft. Seit Jahren wird auch eine Debatte über vermeintlich unterschiedliche Werte und Normen geführt, die zwischen Muslim*innen und der Mehrheitsgesellschaft bestehen, häufig fokussiert auf religiöse Symbole wie das Kopftuch oder religiöse Praktiken wie den Muezzinruf. Dies hat offensichtlich weitreichende Folgen für den vor Jahren angestoßenen und mittlerweile ins Stocken geratenen Dialog zwischen den staatlichen Institutionen und dem „organisierten Islam“, auch wenn die Deutsche Islamkonferenz, als eines der erfolgreichsten Dialogformate der letzten Jahre, ausgenommen werden muss. Ob es um die verhandelten Staatsverträge mit den muslimischen Gemeinschaften, Kooperationsmodelle mit staatlichen Institutionen oder den islamischen Religionsunterricht geht – an vielen Stellen sind die Debatten insgesamt betrachtet schwierig, eingestellt oder verzögert.

Alle diese Entwicklungen werfen grundlegende Fragen auf, die von der Rolle der Muslim*innen in aktuellen und zukünftigen gesellschaftspolitischen Debatten, über die Weiterentwicklung Deutschlands als Einwanderungsgesellschaft, die auch in den kommenden Jahrzehnten auf Migration angewiesen bleiben wird, bis hin zur Wehrhaftigkeit unserer Demokratie und ihrem Umgang mit Minderheiten reichen. Zudem gilt es, Bewältigungsstrategien zu finden, die mehrheitlich akzeptiert und positiv umgesetzt werden können.


Call for Paper:

Im Rahmen einer Ausschreibung (Call for Papers) wurden Vorschläge, Ideen und Durchführungsskizzen zu Workshops und/oder Worldcafés zu den folgenden Aspekten angefragt und eingereicht:

  1.       Muslime in den Konfliktfeldern gesellschaftlicher Polarisierung
  2.       Muslimische Perspektiven auf Demokratie: Beiträge zu einer inklusiven Gesellschaft
  3.       Erinnerungspolitik im Nahostkonflikt: Antisemitismus, Narrativ und Konfliktbewältigung
  4.       Instrumentalisierte Feindschaften? Konfliktfelder einer fragmentierten Gesellschaft
  5.       Muslim-Futures: Räume für Visionen, Empowerment und gerecht Zukünfte
  6.       kommunale Zusammenschlüsse: Strategien und Best Practices muslimischer zivilgesellschaftlicher Akteure
  7.       Rechtspopulismus und Migrantenwähler*innen: Beweggründe und politische Dynamiken
  8.       Gesichter des antimuslimischen Rassismus: Analyse und Interventionen
  9.       Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften: Auslaufmodell oder Chance für Muslime?
  10.       Gelingende Partnerschaften: Modelle für die effektive Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Staat




  11.       Deutscher Islamtag? Neue Impulse für Einheit und Vielfalt
  12.       Soziale Netzwerke und digitale Polarisierung – die neuen Meinungsmacher?
  13.       Internationale Perspektiven und Vergleiche: Zur Situation von Muslimen in verschiedenen Ländern und deren
          Erfahrungen mit gesellschaftlicher Polarisierung
  14.       Jugendschutz in der gesellschaftlichen Polarisierung: Radikalisierungsprävention und Förderung von sozialem
          Zusammenhalt bei jungen Muslimen

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